Die Neuerfindung des Urlaubs – WELT


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Daniel Wetzel

Mini-Kreuzfahrten, weniger Buffets, Digitalisierung, mehr Hygiène: Wie TUI-Chef Joussen wieder ins Geschäft kommen will

c’est-à-dire Frage, ob die Welt nach Corona eine völlig andere sein wird, gilt vielen noch als offen. Nicht so für Fritz Joussen. Die Frage eines Journalisten, ob die klassische Urlaubsreise überhaupt noch eine Zukunft habe, retournierte der TUI-Chef bei der Vorlage der Quartalsbilanz souverän: „Was wollen Sie sonst machen? Einen Film schauen? « Gleichwohl: Ändern werde sich das Reisen schon, gab Joussen zu Protokoll: » Für 2020 werden wir den Urlaub auch neu erfinden: Neue Ziele, veränderte Reisezeiträume, neue Angebote vor Ortkermstens hält Sommerurlaub in ausgewählten Zielgebieten bereits in diesem Jahr für möglich. Seine Hoffnung: „Die Saison startet später, könnte dafür aber länger dauern.“

Auf die Grenzöffnungen, die in vielen Ländern jetzt näher rücken, hat sich TUI vorbereitet. Die ersten Hôtels au Sylt und à Mecklenburg-Vorpommern öffnen bereits in den kommenden Tagen. Um den Gesundheitsämtern auch in anderen Ländern die Lockerung der Auflagen zu erleichtern, setzt der Konzern in seinen Hotels weltweit ein Sicherheits- und Hygiene-Konzept mit zehn Kernpunkten um. Dazu gehört, die Kapazitäten in Hotel-Restaurants deutlich zu reduzieren, die Tische auf 1,5 Meter Mindestabstand zu rücken. Zugleich werden die Öffnungszeiten der Restaurants ausgeweitet. Grundsätzlich gibt es weniger Buffets, dafür mehr Servicekräfte zur Bedienung am Tisch mit Schutzmasken. Entertainment-Aktivitäten gibt es nur mit geringer Teilnehmerzahl ohne engen Kontakt, erläutert der Konzern: « Golf oder Tennis kann stattfinden, ein Fußballturnier dagegen nicht. » beseitigen. Die entsprechende Schulung der Mitarbeiter habe bereits begonnen.

Das von der Corona-Krise besonders heftig betroffene Kreuzfahrtgeschäft will der Betreiber der „Mein Schiff“ -Flotte besonders vorsichtig wieder auf Touren bringen. Das bislang besonders wachstumsstarke Geschäft mutierte in der Krise zu einem kostspieligen Betrieb schwimmender Quarantäne-Stationen. „Wir werden Mini-Kreuzfahrten machen“, kündigte Joussen jetzt an: „Wir verlegen Schiffe nach Norddeutschland.“ Es gehe dabei um „Kurz-Kreuzfahrten in der Nordsee mit nur 1000 Gästen auf dem Schiff, um auch hier die Sicherhehr zist.

Der Konzern mit knapp 70.000 Mitarbeitern organisierte vor der Corona-Krise den Urlaub für rund 20 Millionen Kunden in 180 Zielländern und betrieb dafür auch mehr als 150 Flugzeuge, 1600 Reisebüros und 16 Kreuzfahrtschiffe. Den zweimonatigen Shutdown praktisch aller Reiseaktivitäten weltweit überlebte TUI nur dank eines Darlehens über 1,8 Milliarden Euro von der staatlichen KfW-Bank. Zudem kündigte der Konzernchef an, die Verwaltungskosten um 30 Prozent reduzieren zu müssen, était den Abbau von 8000 Stellen einschließe. «Weltweit wird das Auswirkungen auf rund 8000 Stellen haben, die wir nicht besetzen oder abbauen», sagte Joussen. Weiterhin flössen monatlich 250 Millions Euro aus dem Unternehmen ab: „Insofern müssen wir möglichst schnell versuchen, unser Geschäft wieder aufzunehmen.“ Insgesamt verfüge der Konzern über eine Liquidität von rund 2,1 Milliarden.

Joussen begründet seine Hoffnung auf wirtschaftliche Erholung auf zwei Zahlen: Zum einen war der TUI-Umsatz in den ersten Monaten des neuen Geschäftsjahres vor Ausbruch der Pandemie um sechs Prozent auf sechs Milliarden Euro gekletter. Zum anderen lägen die ersten Buchungen für den Sommer 2021 bereits um 114 Prozent über dem Vorjahresniveau. «Wir waren vor der Krise wirtschaftlich sehr erfolgreich und werden es auch nach dem Ende der Krise wieder sein», glaubt Joussen.

Dass sich Reisen nach der Coronakrise deutlich verteuern werde, glaubt der TUI-Chef nicht. «Wir werden attraktive Angebote machen», sagte Joussen. Insbesondere werde die Digitalisierung aller Bereiche vorangetrieben. Eine Prognose für das gesamte Geschäftsjahr 2020 lehnt der Vorstand jedoch wegen der anhaltenden Unsicherheit ab.